Die betriebsbedingte Kündigung ist eine der häufigsten Kündigungsformen in der arbeitsrechtlichen Praxis – und zugleich eine der umstrittensten. Für Arbeitgeber stellt sie ein wichtiges Instrument bei Umstrukturierungen oder wirtschaftlichen Engpässen dar. Für Arbeitnehmer hingegen ist sie oft mit Unsicherheit und der Frage verbunden, ob die Kündigung rechtlich überhaupt haltbar ist.
In diesem Beitrag beleuchte ich die rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen und häufigsten Streitpunkte bei betriebsbedingten Kündigungen – mit Blick auf aktuelle Rechtsprechung und anwaltliche Handlungsempfehlungen.
1. Rechtliche Einordnung
Die betriebsbedingte Kündigung ist im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelt. Sie setzt voraus, dass dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).
Wichtig: Das KSchG greift nur, wenn:
- das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht,
- der Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 23 Abs. 1 KSchG).
2. Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung
Eine wirksame betriebsbedingte Kündigung erfordert:
a) Dringende betriebliche Erfordernisse
Diese können sich aus:
- innerbetrieblichen Maßnahmen (z. B. Abteilungszusammenlegung, Rationalisierung, Aufgabenverlagerung)
- außerbetrieblichen Ursachen (z. B. Auftragsrückgang, Umsatzverluste, behördliche Auflagen)
ergeben. Die Entscheidung muss nachvollziehbar und dokumentiert sein.
b) Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes
Der Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers muss durch die Maßnahme tatsächlich wegfallen – auch teilweise Wegfall reicht nicht.
c) Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit
Der Arbeitgeber muss prüfen, ob der Arbeitnehmer an einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann.
d) Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG)
Bei mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern ist eine gerechte Auswahl nach folgenden Kriterien erforderlich:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten
- Schwerbehinderung
Achtung: Fehler in der Sozialauswahl führen regelmäßig zur Unwirksamkeit der Kündigung.
3. Form und Frist
Die Kündigung muss:
- schriftlich erfolgen (§ 623 BGB),
- von jemandem, der die Kündigung auch aussprechen darf, unterzeichnet sein (Originalunterschrift erforderlich),
- die gesetzliche, tarifvertragliche oder vertragliche Kündigungsfrist einhalten (§ 622 BGB).
Die Angabe des Kündigungsgrundes ist nicht verpflichtend – im Kündigungsschutzprozess aber von zentraler Bedeutung.
4. Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung
Ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung besteht grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme bildet:
§ 1a KSchG – Abfindung bei Verzicht auf Kündigungsschutzklage
- Der Arbeitgeber bietet im Kündigungsschreiben eine Abfindung an
- Der Arbeitnehmer klagt nicht innerhalb von 3 Wochen
Höhe: 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr
In der Praxis entstehen Abfindungen häufig auch durch gerichtliche Vergleiche oder freiwillige Vereinbarungen.
5. Kündigungsschutzklage – Fristen und Chancen
Wer gegen eine betriebsbedingte Kündigung vorgehen will, muss innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen (§ 4 KSchG).
Das Gericht prüft dann:
- ob die Maßnahme plausibel und tatsächlich war,
- ob die Sozialauswahl ordnungsgemäß erfolgte,
- ob Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestanden.
Tipp: Viele Kündigungen halten einer gerichtlichen Prüfung nicht stand. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung erhöht die Chancen auf Abwehr oder bessere Verhandlungsergebnisse.
6. Handlungsempfehlung für Arbeitnehmer
✔ Lassen Sie die Kündigung sofort rechtlich prüfen
✔ Halten Sie die dreiwöchige Klagefrist unbedingt ein
✔ Sichern Sie Beweise, z. B. zur Sozialauswahl oder internen Umstrukturierung
✔ Bewahren Sie Ruhe – viele Verfahren enden mit Einigung oder Abfindung
Fazit: Betriebsbedingte Kündigung ist prüfbar
Die betriebsbedingte Kündigung stellt hohe Anforderungen an Arbeitgeber – insbesondere bei der Sozialauswahl und der Dokumentation der betrieblichen Notwendigkeit. Arbeitnehmer haben gute Chancen, sich gegen unrechtmäßige Kündigungen zu wehren, insbesondere wenn frühzeitig juristische Hilfe in Anspruch genommen wird.
Gern stehe ich sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern auf Fachanwalt für Arbeitsrecht beratend zur Seite. Unsere Kontakten finden Sie hier.

