Die Entscheidung zur Scheidung markiert einen wichtigen Einschnitt im Leben. Wer eine Scheidung einreichen möchte, steht häufig vor vielen Fragen: Wie läuft das Verfahren ab? Welche Schritte sind erforderlich? Welche Kosten entstehen?
Ein gutes Verständnis der Abläufe und rechtlichen Rahmenbedingungen hilft, den Prozess geordnet und zielgerichtet zu gestalten. In diesem Beitrag erhalten Sie einen klaren Überblick über das Scheidungsverfahren in Deutschland und erfahren, worauf Sie achten sollten.
1. Voraussetzungen für die Scheidung
Für eine Scheidung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Einjähriges Getrenntleben (§ 1565 BGB)
- Zerrüttung der Ehe (kein erkennbarer Wille zur Fortsetzung der Ehe)
- Beide Ehegatten wollen die Scheidung bzw. einer widerspricht nicht der Annahme der Zerrüttung
Ausnahme: Bei unzumutbarer Härte (z. B. Gewalt in der Ehe) ist auch eine sofortige Scheidung möglich.
2. Scheidung einreichen – Schritt-für-Schritt
a) Rechtsanwalt beauftragen
In Deutschland muss der Scheidungsantrag zwingend von einem Rechtsanwalt beim Familiengericht eingereicht werden (§ 114 FamFG).
Hinweis: Bei einvernehmlichen Scheidungen ist es ausreichend, wenn ein Ehegatte einen Anwalt mit der Stellung des Scheidungsantrages beauftragt und der andere Ehepartner der Scheidung zustimmt.
Achtung: Dieses Vorgehen empfiehlt sich aber nur dann, wenn keine Unterhalts- oder Zugewinnausgleichsansprüche oder Fragen des Umgangs- oder Sorgerechts strittig sind.
b) Zuständigkeit des Gerichts
Nach § 122 FamFG ist das Familiengericht örtlich zuständig:
- in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit allen gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
- in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit einem Teil der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern beim anderen Ehegatten keine gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder wohnen;
- in dessen Bezirk die Ehegatten zuletzt gemeinsam gewohnt haben, wenn einer der Ehegatten noch dort lebt.
Eine Übersicht der zuständigen Gerichte finden Sie z. B. unter:
- https://justiz.de/index.php
- https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Familieinternational/Betreuungsrecht/Gerichte/Gerichte.html
c) Zustellung an den Ehepartner
Das Gericht stellt den Scheidungsantrag offiziell dem anderen Ehepartner zu. Dieser kann darauf reagieren oder der Scheidung zustimmen.
d) Versorgungsausgleich
Das Gericht klärt automatisch den Versorgungsausgleich, also den Ausgleich der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften (§ 1587 BGB).
Bei sog. Kurzehen wird in der Regel kein Versorgungsausgleich durchgeführt, sofern keiner der Ehegatten die Durchführung beantragt. Eine Kurzehe liegt vor, wenn zwischen Heirat und Antragstellung weniger als drei Jahre vergangen sind
e) Scheidungstermin
Nach Abschluss der Versorgungsausgleichsprüfung wird ein Scheidungstermin angesetzt. Beide Ehepartner müssen persönlich erscheinen.
Im Termin werden die Voraussetzungen der Scheidung nochmals geprüft. Bei Zustimmung beider Parteien erfolgt die Scheidung durch richterlichen Beschluss.
f) Rechtskraft der Scheidung
Der Scheidungsbeschluss wird rechtskräftig:
- nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist;
- oder sofort, wenn beide Ehepartner auf Rechtsmittel verzichten.
Wichtig: Auch der nicht anwaltlich vertretene Ehegatte benötigt für den Rechtsmittelverzicht einen eigenen Anwalt.
3. Dauer des Scheidungsverfahrens
Eine einvernehmliche Scheidung dauert in der Regel zwischen 4 und 9 Monaten. Kommt es zu Streitigkeiten, insbesondere beim Versorgungsausgleich, kann das Verfahren deutlich länger dauern.
4. Welche Kosten entstehen bei einer Scheidung?
a) Gerichtsgebühren
Bei einer Scheidung fallen lediglich zwei Gerichtsgebühren an. Die Höhe richtet sich nach dem Verfahrenswert.
b) Anwaltskosten
Diese richten sich ebenfalls nach dem Verfahrenswert und sind im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt.
Ein kostenloser Prozesskostenrechner kann helfen, einen ersten Überblick über die zu erwartenden Gebühren zu erhalten: ➡ z. B. auf https://www.justiz.nrw/BS/rechner/index.php
c) Verfahrenswert
In der Regel das dreifache Monatsnettoeinkommen beider Ehepartner, ggf. zuzüglich Sonderwerte wie Immobilien oder Versorgungsanwartschaften.
5. Missverständnis: „Online-Scheidung“
Oft ist von „Online-Scheidung“ die Rede. Dabei handelt es sich nicht um ein eigenes gerichtliches Verfahren, sondern lediglich um eine vereinfachte Kommunikation mit der Kanzlei (z. B. Einreichung von Dokumenten per E‑Mail, Post oder Upload). Das gerichtliche Verfahren bleibt vollständig analog – inklusive persönlicher Anwesenheit beim Scheidungstermin.
6. Fazit: Scheidung mit Überblick und rechtlicher Begleitung
Eine Scheidung ist nicht nur ein persönlicher und rechtlicher Einschnitt – meist ändert sich das gesamte bisherige Leben. Finanzielle, familiäre und emotionale Aspekte sind eng miteinander verwoben. Wer den Ablauf kennt und sich frühzeitig anwaltlich beraten lässt, vermeidet unnötige Verzögerungen und Kosten. Besonders bei einer einvernehmlichen Scheidung können Zeit und Aufwand erheblich reduziert werden.
Gern stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Familienrecht aber auch als Mediator in diese meist schwierigen, emotionalen Lebensphase zur Seite. Rufen Sie uns unter unserer Telefonnummer +49 (0) 531 79 38 99 40 an oder nutzen Sie unser Kontaktformular.