Betriebs­be­ding­te Kün­di­gung: Urteil des Arbeits­ge­richts Erfurt vom 23. April 2024 – Az. 6 Ca 40/24

Eine unter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung, die im Wesent­li­chen dar­auf abzielt, Per­so­nal ein­zu­spa­ren, ist von dem eigent­li­chen Kün­di­gungs­ent­schluss kaum zu tren­nen. Nach den gesetz­li­chen Vor­ga­ben muss eine Kün­di­gung jedoch auf Grün­den beru­hen, die außer­halb der Kün­di­gung selbst lie­gen. Des­halb ist es erfor­der­lich, dass der Arbeit­ge­ber in sol­chen Fäl­len die orga­ni­sa­to­ri­sche Durch­führ­bar­keit und die zeit­li­che Trag­fä­hig­keit sei­ner Ent­schei­dung klar dar­legt. Nur so kann das Gericht beur­tei­len, ob die Kün­di­gung recht­mä­ßig ist oder miss­bräuch­lich erfolgt ist.

Der Sach­ver­halt

Der Klä­ger, heu­te 61 Jah­re alt, ist seit Juni 2021 als Haus­meis­ter bei der Beklag­ten bzw. ihrem Vor­gän­ger­un­ter­neh­men tätig. Die Beklag­te betreibt meh­re­re Hotels und über­nahm am 1. Juli 2023 den Betrieb, in dem der Klä­ger als ein­zi­ger Haus­meis­ter beschäf­tigt war. Am 11. Okto­ber 2023 kün­dig­te die Beklag­te das Arbeits­ver­hält­nis ordent­lich mit Wir­kung zum 15. Novem­ber 2023.

Der Klä­ger erhob Kün­di­gungs­schutz­kla­ge. Er bestritt die sozia­le Recht­fer­ti­gung der Kün­di­gung sowie das Vor­lie­gen eines drin­gen­den betrieb­li­chen Erfor­der­nis­ses. Er kri­ti­sier­te zudem die Sozi­al­aus­wahl und stell­te in Fra­ge, ob über­haupt eine unter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung getrof­fen wor­den sei, die den Arbeits­platz­ab­bau betref­fe. Der Klä­ger argu­men­tier­te, dass sei­ne bis­he­ri­gen Auf­ga­ben nicht ohne unzu­mut­ba­re Mehr­be­las­tung ande­rer Mit­ar­bei­ter umver­teilt wer­den könnten.

Die Ent­schei­dung

Das Arbeits­ge­richt Erfurt gab der Kla­ge des Klä­gers in vol­lem Umfang statt. Die ordent­li­che Kün­di­gung wur­de als sozi­al unge­recht­fer­tigt und somit unwirk­sam ange­se­hen (§ 1 KSchG). Folg­lich kann der Klä­ger auf Grund­la­ge der §§ 611, 613, 242 BGB sowie der Wert­ent­schei­dun­gen aus Art. 1 und 2 GG ver­lan­gen, dass er bis zum Abschluss des Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­rens zu den bis­he­ri­gen Bedin­gun­gen wei­ter­be­schäf­tigt wird.

Die Begrün­dung

Für die Wirk­sam­keit einer ordent­li­chen betriebs­be­ding­ten Kün­di­gung müs­sen nach § 1 Abs. 2 KSchG außer- oder inner­be­trieb­li­che Grün­de vor­lie­gen, die zu einer dau­er­haf­ten Ver­rin­ge­rung des Arbeits­kräf­te­be­darfs füh­ren (BAG 23.2.2012 — 2 AZR 548/10). Eine Ent­schei­dung, die sich im Wesent­li­chen auf die Ein­spa­rung von Per­so­nal beschränkt, ist kaum von der Kün­di­gungs­ent­schei­dung selbst zu unter­schei­den. Um eine sozia­le Recht­fer­ti­gung zu gewähr­leis­ten, muss der Arbeit­ge­ber nach­voll­zieh­bar dar­stel­len, wie die Ent­schei­dung orga­ni­sa­to­risch umge­setzt wer­den soll.

Zudem ist es not­wen­dig, eine Pro­gno­se vor­zu­le­gen, wie die ver­blei­ben­den Auf­ga­ben ohne über­mä­ßi­ge Belas­tung der übri­gen Mit­ar­bei­ter erle­digt wer­den kön­nen. Eine sol­che Belas­tung liegt vor, wenn die ver­blei­ben­den Arbeit­neh­mer durch die zusätz­li­che Arbeit unzu­mut­bar bean­sprucht wer­den oder die Umver­tei­lung der Auf­ga­ben objek­tiv nicht mög­lich ist. Das gilt auch dann, wenn die unter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung ledig­lich als Vor­wand dient, um bestimm­te Arbeit­neh­mer aus dem Betrieb zu drän­gen, obwohl deren Beschäf­ti­gung objek­tiv mög­lich wäre.

Der Arbeit­ge­ber muss im Detail dar­le­gen, wel­che Tätig­kei­ten des gekün­dig­ten Mit­ar­bei­ters künf­tig ent­fal­len und wie die ver­blei­ben­den Auf­ga­ben auf ande­re Mit­ar­bei­ter ver­teilt wer­den sol­len. Dabei ist kon­kret auf­zu­zei­gen, wie sich die Arbeits­be­las­tung auf die übri­gen Arbeit­neh­mer aus­wirkt, und sicher­zu­stel­len, dass deren ver­trag­lich geschul­de­te Arbeits­zeit nicht über­schrit­ten wird.

Im vor­lie­gen­den Fall konn­te die Beklag­te die­se Anfor­de­run­gen nicht erfül­len. Sie leg­te weder eine schlüs­si­ge Dar­stel­lung der Auf­ga­ben des Klä­gers noch eine detail­lier­te Beschrei­bung der Umver­tei­lung der Tätig­kei­ten vor. Es fehl­te an Nach­wei­sen dar­über, in wel­chem Umfang der Klä­ger sei­ne Auf­ga­ben wahr­nahm und wie die­se künf­tig von den ver­blei­ben­den Mit­ar­bei­tern über­nom­men wer­den soll­ten. Auch die Arbeits­ver­trä­ge der übri­gen Beschäf­tig­ten wur­den nicht vor­ge­legt, sodass eine Über­prü­fung, ob die zusätz­li­chen Auf­ga­ben im Rah­men der ver­ein­bar­ten Arbeits­zeit erbracht wer­den kön­nen, nicht mög­lich war.

Der Vor­trag der Beklag­ten beschränk­te sich auf pau­scha­le Aus­sa­gen, die für das Gericht nicht über­prüf­bar waren. Eine detail­lier­te Dar­stel­lung, wel­che Auf­ga­ben kon­kret von ande­ren Mit­ar­bei­tern über­nom­men wur­den und wie dies umge­setzt wer­den soll­te, blieb aus. Infol­ge­des­sen konn­te das Gericht nicht fest­stel­len, dass die Kün­di­gung tat­säch­lich durch drin­gen­de betrieb­li­che Erfor­der­nis­se gerecht­fer­tigt war.

Betriebs­be­ding­te Kün­di­gung: Fazit

Das Gericht erklär­te die betriebs­be­ding­te Kün­di­gung für unwirk­sam, da die Beklag­te die gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für eine betriebs­be­ding­te Kün­di­gung nicht aus­rei­chend dar­le­gen konn­te. Der Klä­ger hat daher Anspruch auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung zu den bis­he­ri­gen Bedin­gun­gen. Die­ses Urteil ver­deut­licht, dass eine Kün­di­gung nicht allein mit der Absicht begrün­det wer­den kann, Kos­ten zu redu­zie­ren. Viel­mehr ist der Arbeit­ge­ber ver­pflich­tet, sei­ne Ent­schei­dung detail­liert und nach­voll­zieh­bar dar­zu­le­gen, um deren Recht­mä­ßig­keit sicherzustellen.

 

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