Das Thema Ehevertrag wird in Deutschland oft mit Skepsis betrachtet. Viele Paare empfinden ihn als Ausdruck von Misstrauen – doch genau das Gegenteil ist der Fall: Ein gut durchdachter Ehevertrag schafft Klarheit, Fairness und Sicherheit für beide Partner.
Ob Unternehmer, Patchwork-Familie oder internationale Ehe: In bestimmten Lebenssituationen kann ein Ehevertrag rechtlich und finanziell äußerst sinnvoll sein. Doch was genau kann geregelt werden? Wann lohnt sich ein Ehevertrag und was passiert, wenn keiner existiert? Dieser Beitrag gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über Inhalte, Vorteile und rechtliche Grundlagen.
1. Was ist ein Ehevertrag?
Ein Ehevertrag ist eine rechtlich bindende Vereinbarung zwischen Ehepartnern, die vor oder während der Ehe notariell geschlossen wird (§ 1408 BGB). Darin können sie individuelle Regelungen zur Vermögensaufteilung, zum Unterhaltoder zur Altersvorsorge treffen – abweichend von der gesetzlichen Regelung.
Ohne Ehevertrag gilt automatisch der gesetzliche Zugewinngemeinschaft, was bedeutet: Jeder Ehepartner behält sein eigenes Vermögen, aber im Falle der Scheidung wird der während der Ehe erwirtschaftete Zugewinn ausgeglichen.
2. Wann ist ein Ehevertrag sinnvoll?
Ein Ehevertrag ist nicht für jedes Paar zwingend notwendig – in bestimmten Konstellationen jedoch sehr empfehlenswert:
✅ Selbstständige und Unternehmer
Ein Ehevertrag schützt das Unternehmen vor dem Zugriff des Partners im Fall der Scheidung – z. B. durch Ausschluss des Zugewinnausgleichs oder spezielle Regelungen zum Betriebsvermögen.
✅ Unterschiedliches Vermögen oder Einkommen
Paare mit stark unterschiedlichem Anfangsvermögen oder Einkommen können faire Vereinbarungen treffen, um ungleiche Belastungen im Trennungsfall zu vermeiden.
✅ Internationale Ehen
Ein Ehevertrag hilft, das anwendbare Recht zu klären und Rechtsunsicherheiten bei einer Trennung über Ländergrenzen hinweg zu vermeiden.
✅ Patchwork-Familien
Wenn Kinder aus früheren Beziehungen vorhanden sind, lassen sich im Ehevertrag klare Regelungen treffen, um Erbansprüche oder Unterhaltspflichten fair zu gestalten.
✅ Vorsorge für den Trennungsfall
Ein Ehevertrag kann Streit im Trennungsfall vermeiden und klare Regeln schaffen – emotional und wirtschaftlich.
3. Was sollte ein Ehevertrag regeln?
Ein Ehevertrag kann sehr individuell gestaltet werden. Diese Punkte lassen sich regeln:
a) Güterstand
Der Ehevertrag kann den gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft) abändern oder ersetzen durch:
- Gütertrennung: Jeder behält sein Vermögen – kein Zugewinnausgleich im Scheidungsfall.
- Modifizierte Zugewinngemeinschaft: Nur bestimmte Vermögensteile werden ausgeschlossen (z. B. Betriebsvermögen).
b) Unterhalt
Hier kann geregelt werden, ob und in welcher Höhe ein Ehegattenunterhalt nach der Scheidung gezahlt wird. Grenzen setzt dabei § 1360a BGB – es darf keine sittenwidrige Benachteiligung entstehen.
c) Versorgungsausgleich (Rentenansprüche)
Grundsätzlich wird der während der Ehezeit erworbene Rentenanspruch geteilt. Im Ehevertrag kann dieser ausgeschlossen oder modifiziert werden – unter bestimmten Voraussetzungen.
d) Regelungen im Todesfall
Ein Ehevertrag kann auch erbrechtliche Regelungen enthalten (z. B. Erbverzicht oder zusätzliche Absicherung des überlebenden Ehepartners). Empfehlenswert ist hierbei die Abstimmung mit einem Testament.
e) Schuldenregelung
Wer haftet für was? Im Ehevertrag kann eindeutig geregelt werden, wie mit gemeinsamen oder getrennten Schulden umgegangen wird.
4. Form und Wirksamkeit des Ehevertrags
Ein Ehevertrag ist nur gültig, wenn er:
- notariell beurkundet wird (§ 1410 BGB),
- freiwillig und ohne Zwang geschlossen wurde,
- nicht sittenwidrig oder einseitig benachteiligend ist.
Das Familiengericht kann einzelne Vertragsklauseln für unwirksam erklären, wenn sie eine Partei „grob benachteiligen“ (§ 138 BGB). Deshalb ist eine anwaltliche Beratung vor Abschluss dringend zu empfehlen.
5. Ehevertrag auch während der Ehe möglich?
Ja – ein Ehevertrag kann vor oder während der Ehe geschlossen werden. Viele Paare entscheiden sich sogar erst nach Jahren für eine vertragliche Regelung, z. B. bei:
- Unternehmensgründung
- Geburt eines Kindes
- Erbschaften
- Erwerb von Immobilien
Eine Änderung oder Ergänzung ist jederzeit möglich – ebenfalls nur notariell.
6. Was passiert ohne Ehevertrag?
Ohne Ehevertrag gilt automatisch:
- Zugewinngemeinschaft: Im Scheidungsfall wird der während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs (abzgl. Schulden) ausgeglichen.
- Versorgungsausgleich: Rentenansprüche werden geteilt.
- Ehegattenunterhalt: Der wirtschaftlich schwächere Partner kann unter bestimmten Voraussetzungen Unterhalt verlangen.
Das ist in vielen Fällen fair – aber nicht immer. Wer z. B. ein Unternehmen schützen will oder Vermögensungleichheiten vermeiden möchte, kommt um einen Ehevertrag kaum herum.
7. Fazit: Ehevertrag – klug, nicht kalt
Ein Ehevertrag ist keine Absage an die Liebe, sondern eine Absicherung für beide Partner. Besonders bei unternehmerischen Tätigkeiten, Vermögensunterschieden oder komplexen Familienstrukturen ist ein Ehevertrag sinnvoll und empfehlenswert.
Wer Klarheit und Fairness in der Ehe – und im schlimmsten Fall bei der Trennung – möchte, sollte sich frühzeitig beraten lassen und gemeinsam mit dem Partner eine tragfähige Regelung finden. Gern stehe ich Ihnen mit meiner Expertise als Fachanwalt für Familienrecht für weitere Fragen beratend zur Seite.