Der Fall
Risse in der Wand: Der Unternehmer (U) wird auf der Grundlage eines BGB-Vertrags u. a. mit der Herstellung von Gipskartonwänden beauftragt. Nach Fertigstellung der Leistung kommt es zu Rissbildungen. Der Besteller (B) verlangt von U Schadensersatz wegen mangelhafter Werkleistung. U wendet ein, B habe auf eine fachgerechte Fertigstellung der Konstruktion der Trockenbauwände verzichtet. B erhebt Klage.
Das Urteil
Das Gericht gibt der Klage des B statt. Der vom Gericht bestellte Sachverständige hat zahlreiche Risse im Bereich der Anschlüsse der Trockenbauwände an die Decke, im Bereich von Wand-Wand-Anschlüssen sowie an den Fugen der Plattenanschlüsse an den Decken und Wänden festgestellt. Zumindest ein Teil dieser Risse ist auf eine nicht fachgerechte Konstruktion der Wände zurückzuführen. Im Prozess ließ sich nicht feststellen, dass B auf eine fachgerechte Fertigstellung der Konstruktion der Trockenbauwände verzichtet hat. Es weist darauf hin, dass das Werk eines Bauunternehmers dann mangelfrei ist, wenn es zum Zeitpunkt der Abnahme die vereinbarte Beschaffenheit hat, den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und funktionstauglich ist. Das gilt nicht nur im VOB/B‑, sondern auch im BGB-Vertrag.
Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine rechtsgeschäftliche Zustimmung des Bestellers zu einer hinter den allgemein anerkannten Regeln der Technik zurückbleibenden Ausführung regelmäßig nur in Betracht, wenn der Unternehmer auf die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Besteller bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen.
Diese Voraussetzungen konnten nicht festgestellt werden; Weder hat U den B auf das Risiko von Rissbildungen hingewiesen, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass dem B dieses Risiko auch ohne einen solchen Hinweis klar vor Augen stand.
Risse in der Wand: Fazit
Nach der gesetzlichen Regelung (§ 633 BGB) ist das Werk mangelfrei, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Auch wenn § 633 BGB die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik nicht ausdrücklich erwähnt, muss eine Werkleistung grundsätzlich auch im BGB-Vertrag den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Ihre Einhaltung wird vom Unternehmer bei Vertragsschluss stillschweigend versprochen, so dass sie zur vereinbarten Beschaffenheit gehören. Außerdem muss das Werk stets die ihm üblicherweise zukommende Funktion erfüllen, selbst wenn im Vertrag eine bestimmte Ausführungsart vereinbart ist, mit der die (werkvertraglich geschuldete) Funktionstauglichkeit nicht erreicht werden kann. Soll hiervon abgewichen werden, muss zum Schutz des Unternehmers eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung „nach unten“ vereinbart werden oder ein ordnungsgemäßer Bedenkenhinweis!
Quelle: OLG Köln, Urteil vom 10.02.2021 – 11 U 128/19; BGH, Beschluss vom 15.02.2023 — VII ZR 174/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Dieser Beitrag “Baurecht — Risse in der Wand” dient lediglich zur Information über die rechtlichen Aspekte des Sachverhaltes und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei Fragen zum Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Nutzen Sie gern dazu unser Kontaktformular oder rufen Sie uns an.
Dr. Frank Biermann
Fachanwalt für Architekten- und Baurecht