Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Dezember 2024
(Aktenzeichen: 16 U 82/23)
Hintergrund des Falles
Ein Kläger hatte bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise in die USA gebucht, die Flüge, Hotelaufenthalte, Transfers sowie die Nutzung eines Wohnmobils vom 3. Mai bis zum 3. Juni 2022 umfasste. Während der Reise ereignete sich am 17. Mai 2022 ein Wohnmobil Unfall, bei dem dieses durch Fremdverschulden erheblich beschädigt wurde und nicht mehr genutzt werden konnte. Der Kläger und sein Begleiter erhielten in den folgenden Tagen kein Ersatzfahrzeug, sodass sie die Reise am 20. Mai 2022 abbrachen. Der Kläger verlangte vom Reiseveranstalter eine Minderung des Reisepreises, Schadensersatz sowie die Erstattung von Kosten für Hotelaufenthalte, Mietwagen und einen vorzeitigen Rückflug, insgesamt rund 6.700 €.
Entscheidungen der Gerichte Das Landgericht (LG) sprach dem Kläger zunächst etwa 5.000 € zu. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt reduzierte diesen Betrag in der Berufungsinstanz auf 3.500 €, da ein Teil der geforderten Summe (2.100 €) bereits durch eine andere Zahlung abgedeckt war. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) wurde nicht zugelassen.
Begründung des Oberlandesgerichts
Reisemangel durch Ausfall des Wohnmobils
Das Gericht bestätigte, dass der Ausfall des Wohnmobils ab dem 17. Mai 2022 einen Reisemangel darstellte. Entscheidend war nicht die Beschädigung des Fahrzeugs selbst, sondern die Tatsache, dass der Reiseveranstalter ab diesem Zeitpunkt kein funktionstüchtiges Wohnmobil mehr zur Verfügung stellte. Der Veranstalter ist verpflichtet, alle vertraglich vereinbarten Leistungen – einschließlich des Fahrzeugs – während der gesamten Reisedauer bereitzustellen. Daran ändert auch ein unverschuldeter Unfall nichts, da die Risikoverantwortung für die bereitgestellten Leistungen beim Veranstalter liegt.
Kein „allgemeines Lebensrisiko“ des Reisenden
Der Reiseveranstalter argumentierte, der Unfall sei ein „allgemeines Lebensrisiko“ des Klägers, vergleichbar mit einer Erkrankung während der Reise. Das Gericht wies diese Argumentation zurück. Zwar trägt ein Reisender grundsätzlich Risiken wie Krankheiten selbst, doch wenn ein vom Veranstalter gestelltes Fahrzeug ausfällt, liegt dies in dessen Verantwortungsbereich. Der Ausfall des Wohnmobils betraf somit nicht nur die Risikosphäre des Reisenden, sondern auch die des Veranstalters, der das Fahrzeug vertragsgemäß hätte bereitstellen müssen.
Ansprüche des Klägers im Einzelnen
Erstattung von Hotel- und Mietwagenkosten (17.–21. Mai 2022)
Das Gericht erkannte dem Kläger etwa 1.200 € für diese Aufwendungen zu. Der Reiseveranstalter hatte nach dem Wohnmobil Unfall keine Ersatzunterkünfte, Verpflegung oder Transfers angeboten, obwohl der Kläger und sein Begleiter unmittelbar nach dem Wohnmobil Unfall eine Unterkunft und einen Mietwagen benötigten, um die Reise fortzusetzen. Das OLG bestätigte, dass der Kläger diese Kosten auch ohne vorherige Fristsetzung ersetzt verlangen konnte, da eine sofortige Abhilfe notwendig war (§ 651k Abs. 2 Satz 2 BGB). Ab dem 20. Mai 2022 war zudem eine zuvor gesetzte angemessene Frist für die Abhilfe fruchtlos abgelaufen, sodass die Erstattungspflicht hier ebenfalls bestand.
Minderung des Reisepreises (17.–21. Mai 2022)
Für den Zeitraum, in dem das Wohnmobil nicht genutzt werden konnte, gewährte das Gericht eine Reisepreisminderung von etwa 600 €. Dies entsprach dem Wertverlust der Reiseleistungen in diesen Tagen.
Erstattung nicht genutzter Reiseleistungen (ab 20. Mai 2022)
Da der Kläger die Reise am 20. Mai 2022 abbrach, standen ihm anteilige Rückzahlungen für nicht in Anspruch genommene Leistungen (z. B. Hotel, geplante Transfers) in Höhe von rund 700 € zu. Dies ergibt sich aus § 651l Abs. 2 Satz 2 BGB, der die Erstattung des Reisepreises für ausgefallene Leistungen vorsieht.
Kosten für den vorzeitigen Rückflug
Die Umbuchung des Rückflugs verursachte zusätzliche Kosten von etwa 500 €, die der Veranstalter übernehmen musste.
Schadensersatz für entgangene Urlaubszeit
Das Gericht sprach dem Kläger eine Entschädigung von 2.000 € für die „vertane Urlaubszeit“ gemäß § 651n Abs. 2 BGB zu. Dieser Anspruch besteht unabhängig von anderen Erstattungen, da er den immateriellen Schaden durch die beeinträchtigte Reise abdeckt.
Berichtigung wegen Doppelzahlung
Die Beklagte machte geltend, dass der Kläger die Selbstbeteiligung für den Wohnmobil Unfall (2.100 US-Dollar) bereits vom Autovermieter erstattet erhalten hatte, obwohl die Beklagte diesen Betrag zuvor gezahlt hatte. Das OLG berücksichtigte dies und reduzierte die Gesamtforderung entsprechend, um eine Doppelentschädigung auszuschließen.
Zusammenfassung der Rechtsfolgen
Das Urteil verdeutlicht, dass Reiseveranstalter verpflichtet sind, für die einwandfreie Bereitstellung aller gebuchten Leistungen – einschließlich gemieteter Fahrzeuge – zu sorgen. Können sie dies aufgrund unvorhergesehener Ereignisse (wie eines Wohnmobil Unfalls) nicht gewährleisten, haften sie für entstandene Kosten, Reisepreisminderungen und Schäden. Reisende müssen in solchen Fällen keine langen Wartezeiten hinnehmen, wenn der Veranstalter keine zeitnahe Abhilfe anbietet. Der Abbruch der Reise ist dann gerechtfertigt, und Ansprüche auf Erstattung zusätzlicher Aufwendungen, anteilige Rückzahlungen sowie Entschädigungen bleiben bestehen. Gleichzeitig darf der Reisende keine doppelten Erstattungen für denselben Schaden erhalten, was im vorliegenden Fall zur Kürzung der Forderung führte.