Am 10. Mai 2024 ent­schied das Land­ge­richt Lands­hut über die Fra­ge, ob der Klä­ger als Ver­brau­cher oder Exis­tenz­grün­der ein­zu­stu­fen ist und wie sich dies auf sein Wider­rufs­recht aus­wirkt. Beson­ders im Fokus stand dabei die recht­li­che Rele­vanz einer Check­box, die den Ver­zicht auf das Wider­rufs­recht erklärt, und deren Not­wen­dig­keit im Kon­text eines Coachingvertrages.

Hin­ter­grund des Falls

Im Herbst 2022 wur­de der Klä­ger durch Wer­bung auf You­Tube und Insta­gram auf einen Anbie­ter auf­merk­sam, der Coa­ching-Diens­te über die Beklag­te ver­treibt. Der Anbie­ter behaup­te­te, dass sein Coa­ching-Pro­gramm inner­halb kur­zer Zeit und ohne Vor­kennt­nis­se ein bedeu­ten­des pas­si­ves Ein­kom­men garan­tie­ren kön­ne und ver­sprach sogar eine „110% Erfolgs­ga­ran­tie“. Beein­druckt von die­sen Zusi­che­run­gen nahm der Klä­ger am 6. Novem­ber 2022 ein unver­bind­li­ches Tele­fo­nat auf und ent­schloss sich danach, das Coa­ching-Paket „Digi­tal Resel­ling — Ein­kom­men auf Auto­pi­lot“ zu erwerben.

Im Rah­men des Ver­trags­schlus­ses wur­de ein Online-For­mu­lar aus­ge­füllt. Dabei wur­de eine Check­box ange­kreuzt, die fol­gen­den Text ent­hielt: „Hier­mit stim­me ich zu, dass – mit der Aus­füh­rung des Ver­tra­ges vor Ablauf der Wider­rufs­frist beginnt. Ich habe zur Kennt­nis genom­men, dass ich mit die­ser Zustim­mung mein Wider­rufs­recht verliere.“

Nach Ver­trags­ab­schluss erhielt der Klä­ger eine Rech­nung über 5.735 €, die in Raten zu zah­len war. Bis zu die­sem Zeit­punkt hat­te der Klä­ger bereits 1.927 € gezahlt. Am 20. Sep­tem­ber 2023 erklär­te der Klä­ger durch sei­nen Anwalt den Wider­ruf des Ver­tra­ges. Der Klä­ger behaup­te­te, sei­ne Ent­schei­dung zum Ver­trags­schluss sei aus­schließ­lich auf das Ver­trau­en in ein Wider­rufs­recht zurück­zu­füh­ren. Zudem gab er an, dass das For­mu­lar wäh­rend des Tele­fo­nats von der ande­ren Sei­te aus­ge­füllt wur­de. Die Beklag­te wies die­se Behaup­tun­gen zurück und argu­men­tier­te, der Klä­ger habe das For­mu­lar selbst aus­ge­füllt und es sei klar gewe­sen, dass es sich um die Web­sei­te der Beklag­ten han­de­le. Da der Klä­ger als Exis­tenz­grün­der ange­se­hen wur­de, sah die Beklag­te den Wider­ruf als unzu­läs­sig an.

Ent­schei­dung des Landgerichts

Das Land­ge­richt Lands­hut ent­schied zu Guns­ten des Klä­gers und stell­te fest, dass die Beklag­te den bereits gezahl­ten Betrag von 1.927 € zurück­zah­len muss und kei­nen Anspruch auf die ver­blei­ben­den 3.808 € hat.

Die Ent­schei­dungs­grün­de las­sen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Klä­ger hat­te einen Fern­ab­satz­ver­trag im Sin­ne des § 312c BGB abge­schlos­sen, und die Beklag­te wur­de als Unter­neh­me­rin gemäß § 14 Abs. 1 BGB ein­ge­ord­net. Das Gericht muss­te klä­ren, ob der Klä­ger als Ver­brau­cher nach § 13 BGB oder als Exis­tenz­grün­der und damit als Unter­neh­mer zu betrach­ten ist.

Das Gericht kam zu dem Ergeb­nis, dass der Klä­ger als Ver­brau­cher anzu­se­hen ist. Er hat­te den Ver­trag nicht über­wie­gend zu gewerb­li­chen oder selbst­stän­di­gen Zwe­cken abge­schlos­sen. Viel­mehr befand er sich in der Pha­se der Vor­be­rei­tung einer mög­li­chen Unter­neh­mens­grün­dung. Das Coa­ching dien­te daher haupt­säch­lich der Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung und nicht bereits einer unter­neh­me­ri­schen Tätigkeit.

Ein wei­te­res Argu­ment war, dass die Check­box, die den Ver­zicht auf ein Wider­rufs­recht erklärt, im Kon­text eines Coa­ching­ver­tra­ges mit Exis­tenz­grün­dern über­flüs­sig wäre. Im Geschäfts­ver­kehr unter Unter­neh­mern wäre eine sol­che Klau­sel nicht erforderlich.

Das Gericht stell­te zudem fest, dass die Wider­rufs­frist noch nicht begon­nen hat­te, da die Beklag­te den Klä­ger nicht kor­rekt über sein Wider­rufs­recht infor­miert hat­te, was gemäß § 356 Abs. 3 BGB erfor­der­lich ist. Die ent­spre­chen­den Beleh­rungs­pflich­ten wur­den nicht erfüllt.

Das Wider­rufs­recht war auch nicht gemäß § 356 Abs. 5 BGB erlo­schen, da kei­ne digi­ta­len Inhal­te bereit­ge­stellt wur­den. Statt­des­sen waren die Coa­ching-Dienst­leis­tun­gen – mög­li­cher­wei­se durch Sub­un­ter­neh­mer – so zu erbrin­gen, dass sie rea­le Kon­tak­te wie über Whats­App oder Live-Calls beinhal­te­ten. Die­se Form der Leis­tungs­er­brin­gung ist nicht mit digi­ta­len Inhal­ten ver­gleich­bar, bei denen ein Wider­rufs­recht mög­li­cher­wei­se ein­ge­schränkt wäre.

Zusätz­lich war das Wider­rufs­recht nicht gemäß § 356 Abs. 4 Nr. 1 BGB aus­ge­schlos­sen, da die Beklag­te die Dienst­leis­tung noch nicht voll­stän­dig erbracht hatte.

Ins­ge­samt ent­schied das Gericht, dass der Wider­ruf des Ver­tra­ges durch den Klä­ger wirk­sam war. Die Beklag­te wur­de zur Rück­zah­lung der bereits geleis­te­ten Zah­lun­gen ver­ur­teilt, da das Wider­rufs­recht des Klä­gers auf­grund der unzu­rei­chen­den Beleh­rung und sei­ner Ein­stu­fung als Ver­brau­cher nicht erlo­schen war.

LG Lands­hut v. 10.5.2024, 54 O 305/24